Wer sein Darlehen vorzeitig ablösen möchte, wird von der Bank in der Regel ordentlich zur Kasse gebeten. Als Ausgleich für die entgangenen Zinsen verlangt die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung.
Deutschland (ots) – Wer sein Darlehen vorzeitig ablösen möchte, wird von der Bank in der Regel ordentlich zur Kasse gebeten. Als Ausgleich für die entgangenen Zinsen verlangt die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung. Gerade bei der vorzeitigen Ablösung eines Immobiliendarlehens liegt die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung schnell im fünfstelligen Bereich. Doch es gibt gute Nachrichten für Darlehensnehmer: Sie können ohne weitere Kosten aus dem Kreditvertrag aussteigen, wenn die Bank sie nicht ordnungsgemäß über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung aufgeklärt hat. Das wird aus einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs deutlich.
Der BGH hat Ende Juni 2021 die Nichtzulassungsbeschwerde der Commerzbank gegen ein Urteil des OLG Frankfurt zurückgewiesen und damit die OLG-Entscheidung de facto bestätigt. Das Urteil des OLG Frankfurt vom 1. Juli 2020 ist somit rechtskräftig (Az.: 17 U 810/19). Demnach kann die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, wenn sie den Kreditnehmer nicht ordnungsgemäß darüber aufgeklärt hat, wie sich die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet.
Banken müssen Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung darlegen
Bei der Vergabe von Darlehensverträgen planen Banken mit den Zinsen, die sie dadurch einnehmen. Möchte der Kreditnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlen, entgehen der Bank Zinsen. Dafür kann sie in der Regel eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Wie hoch die Vorfälligkeitsentschädigung ausfällt, hat der Gesetzgeber allerdings nicht festgelegt. Damit der Kreditnehmer jedoch einen Überblick hat, welche finanzielle Belastung bei der vorzeitigen Ablösung des Darlehens auf ihn zukommt, muss die Bank darlegen, wie sich die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet.
Bei Immobiliendarlehen, die seit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie am 21. März 2016 abgeschlossen wurden, gilt, dass die Bank ihren Kunden genau erklären muss, wie sich die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung berechnet. Doch genau das ist in vielen Darlehensverträgen nicht der Fall und die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind unzureichend. Folge ist, dass die Bank gegenüber dem Kreditnehmer keinen Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung hat.
OLG Frankfurt: Kreditnehmer muss Vorfälligkeitsentschädigung nicht zahlen
So war es auch in dem Fall vor dem OLG Frankfurt. Hier hatten die Kläger bei der Commerzbank zwei Immobilienkredite in Höhe von rund 245.000 und 50.000 Euro abgeschlossen. Für die vorzeitige Rückzahlung der Darlehen veranschlagte die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von insgesamt rund 21.500 Euro. Die Kreditnehmer leisteten die Vorfälligkeitsentschädigung unter Vorbehalt und klagten auf Rückzahlung der Summe, da die Bank die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nur unzureichend dargestellt und daher keinen Anspruch auf die Zahlung habe.
In zweiter Instanz war die Klage vor dem OLG Frankfurt erfolgreich. Die Vertragsangaben seien nicht klar und verständlich und daher im Sinne des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB unzureichend. Für den Darlehensnehmer werde daraus nicht deutlich, wie sich die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung berechnet. Die Bank habe daher keinen rechtlichen Anspruch auf die Zahlung gehabt und müsse den Kreditnehmern die 21.500 Euro zurückerstatten, führte das OLG aus.
BGH weist Nichtzulassungsbeschwerde der Commerzbank zurück
Die Commerzbank legte gegen das Urteil zwar Nichtzulassungsbeschwerde ein, die hat der BGH nun allerdings zurückgewiesen. Das verbraucherfreundliche Urteil des OLG Frankfurt ist damit rechtskräftig.
Da nicht nur in Darlehensverträgen der Commerzbank die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nur unzureichend dargestellt wurde, sondern auch anderen Banken die gesetzlichen Vorgaben hier nicht erfüllen, ist die Entscheidung des BGH wegweisend. Zahlreichen Darlehensnehmern dürfte nun der Ausstieg aus ihrer Baufinanzierung ohne die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung offenstehen. Zudem kann eine bereits geleistete Vorfälligkeitsentschädigung von der Bank zurückverlangt werden.
Es gibt noch weitere Gründe, die dazu führen, dass Banken ihren Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verlieren können. Dies ist nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch dann der Fall, wenn die Angaben zur Laufzeit des Darlehensvertrags oder zum Kündigungsrecht des Kreditnehmers unzureichend sind. Auch diese Fehler sind den Banken in einer Vielzahl von Darlehen zur Immobilienfinanzierung unterlaufen.
Banken verlangen zu hohe Vorfälligkeitsentschädigung
Den Banken sind jedoch nicht nur Fehler unterlaufen, die zur Folge haben, dass sie ihren Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verloren haben – vielfach haben sie auch die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung falsch berechnet. Für die Berechnung stehen den Banken verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Dabei spielen verschiedene Faktoren wie Zinsverschlechterungsschaden, Risikoprämie oder Bearbeitungs- und Verwaltungsgebühren eine Rolle. Unterm Strich kommen die Banken dabei – zum Nachteil der Darlehensnehmer – häufig zu einem anderen Ergebnis als unabhängige Stellen.
Wie eine Untersuchung der “Marktwächter” aus dem Jahr 2019 zeigt, fiel die Vorfälligkeitsentschädigung in 77 Prozent der Fälle niedriger aus, wenn sie nicht von der Bank, sondern von einer unabhängigen Stelle berechnet wurde. Im Durchschnitt lag die Vorfälligkeitsentschädigung dann um fünf Prozent geringer. Gerade bei Immobiliendarlehen kann das einen großen Unterschied machen. Es lohnt sich dementsprechend, die Forderung der Bank auf eine Vorfälligkeitsentschädigung prüfen zu lassen.
Kostenloser Ausstieg aus dem Baukredit
Es gibt noch zwei weitere Möglichkeiten, wie Darlehensnehmer ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung aus ihrer Immobilienfinanzierung aussteigen können. Die erste Option ist die Kündigung nach zehn Jahren.
Immobiliendarlehen haben zwar meist lange Laufzeiten über 15 oder 20 Jahre. Die Kündigung des Vertrags ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ist jedoch immer nach zehn Jahren möglich. Stichtag für die Zehn-Jahres-Frist ist dabei immer der Tag, an dem der Darlehensnehmer die Darlehenssumme vollständig erhalten hat. Hinzu kommt noch eine Kündigungsfrist von sechs Monaten. Der frühestmögliche Zeitpunkt zur Kündigung liegt damit zehn Jahre und sechs Monate nach Auszahlung der letzten Teilrate des Darlehens.
Eine weitere Möglichkeit bietet der Widerruf des Immobiliendarlehens. Der Widerruf ist möglich, wenn die Bank eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet hat. In einem großen Teil der Darlehensverträge, die seit dem 11. Juni 2010 geschlossen wurden, finden sich Fehler in den Widerrufsbelehrungen oder die Banken haben die erforderlichen Pflichtinformationen nicht vollständig erteilt. Ist das der Fall, wurde die Widerrufsfrist nie in Lauf gesetzt und der Vertrag lässt sich noch Jahre nach Abschluss widerrufen. Eine Vorfälligkeitsentschädigung wird bei einem erfolgreichen Widerruf nicht fällig. Ebenso kann dann eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückgefordert werden.
Mit der Vermeidung der Vorfälligkeitsentschädigung kann der Verbraucher in den vielen Fällen einige tausend Euro sparen. Daher lohnt sich die Überprüfung. Decker & Böse Rechtsanwälte bietet Ihnen eine kostenlose Ersteinschätzung Ihrer rechtlichen Möglichkeiten an.
Rufen Sie uns gerne an unter 0221 – 2927 0 59
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