Die Förderung wird gut genutzt – und sie kommt bei jenen an, für die sie gedacht ist: Familien mit geringen Einkommen.
Berlin (ots) – Die Förderung wird gut genutzt – und sie kommt bei jenen an, für die sie gedacht ist: Familien mit geringen Einkommen.
Das Baukindergeld kann zwar noch bis Ende 2023 beantragt werden – allerdings nur für Häuser und Wohnungen, für die bis Ende dieses Jahres entweder eine Baugenehmigung vorlag oder ein Kaufvertrag unterzeichnet wurde. Ob es zu einer Neuauflage in der nächsten Legislaturperiode kommt oder die Fristen verlängert werden, falls die im Bundeshaushalt eingeplanten Mittel von 9,9 Milliarden Euro nicht ausgeschöpft werden, dürfte ganz entscheidend von der Erfolgsbilanz der Förderung abhängen. Dazu wird es eine umfangreichere Evaluation geben, deren Ergebnisse bis zum Sommer 2021 vorliegen sollen. Doch bereits die jüngsten Förderstatistiken der bundeseigenen Förderbank KfW erlauben fundierte Analysen. LBS Research kommt auf dieser Basis zu folgenden Ergebnissen:
Verteilung der Anträge auf die Bundesländer
Dass die meisten Baukindergeldanträge in bevölkerungsreichen Bundesländern gestellt werden würden, war zu erwarten: Gemäß den aktuellsten Daten aus einer Ende Juni veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP hatte die KfW bis zum 31. Mai dieses Jahres insgesamt knapp 233.000 Anträge zugesagt. Davon kam ein gutes Fünftel aus NRW, weitere jeweils 14 Prozent aus Bayern und Baden-Württemberg und 12 Prozent aus Niedersachsen.
Interessanter ist jedoch die Frage, wo die neue Wohneigentumsförderung, die eben zugleich als Familienförderung konzipiert ist, von ihrer Zielgruppe besonders gut angenommen wird. An der Spitze liegen hier – und das ist auf den ersten Blick durchaus etwas erstaunlich – zwei ostdeutsche Bundesländer (Grafik):
In Brandenburg kamen auf 1.000 Familien mit minderjährigen Kindern 39 Anträge auf Baukindergeld, in Mecklenburg-Vorpommern 37 – und damit ein gutes beziehungsweise knappes Drittel mehr als im Bundesdurchschnitt, der bis Ende Mai bei 29 Anträgen lag.
Auf den Plätzen folgen die westdeutschen Flächenländer Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und das Saarland. Weit unterdurchschnittlich in Anspruch genommen wird das Baukindergeld dagegen wie erwartet in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg. Etwas weniger rege war die Nachfrage außerdem in Bayern und Hessen. Zu diesen großen Unterschieden tragen mehrere Faktoren bei:
Stadt und Land. Das Baukindergeld wird in den ländlicheren Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz stärker nachgefragt als in den eher städtischen Ländern mit hoher Einwohnerdichte. Zu diesen zählen nicht nur die Stadtstaaten Berlin und Hamburg, sondern beispielsweise auch Nordrhein-Westfalen mit dem Ruhrgebiet und Hessen mit dem Großraum Frankfurt.
Dahinter steckt, dass ländliche Räume per se eigentumsaffiner sind, also eine höhere Wohneigentumsbildung aufweisen. So werden in Rheinland-Pfalz 58 Prozent und in Niedersachsen 54 Prozent aller Wohnungen und Häuser von ihren Eigentümern bewohnt. In Hamburg und Berlin gilt dies nur für 24 beziehungsweise 17 Prozent. Gerade für Familien, die mit Wohneigentum liebäugeln, geht es auch darum, Platz zu gewinnen – und das klappt nun einmal eher mit einem Häuschen im Grünen als mit einer Stadtwohnung. Etwas aus der Reihe dieser Logik tanzt das kleinstädtisch geprägte Saarland: Es hat traditionell die höchste Wohneigentumsquote in Deutschland – und dies spiegelt sich auch in der hohen Nachfrage der Familien nach Baukindergeld wider.
Erschwinglichkeit von Wohneigentum. Wo das Baukindergeld mehr hilft und wo weniger, ist auch eine Frage des Immobilienpreisniveaus sowie des regionalen Einkommensniveaus. Nach Berechnungen des Immobilienforschungsinstituts empirica war es um die Relation von beidem im ersten Quartal 2020 in Niedersachsen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen besser bestellt als im Bundesdurchschnitt. Eine 60 bis 80 Quadratmeter große Wohnung beispielsweise war dort mit knapp fünf durchschnittlichen Nettojahreseinkommen zu bezahlen. In all diesen Bundesländern ist die Nachfrage nach Baukindergeld überdurchschnittlich hoch. Das Gegenteil ist in Hamburg und Berlin der Fall – dort sind mehr als neun Jahreseinkommen für eine vergleichbare Wohnung aufzubringen, aber auch in Bayern ist Wohneigentum mit sieben Jahreseinkommen deutlich schwerer erschwinglich als im übrigen Deutschland.
Aufholprozess Ost. Lässt man die beiden doch deutlich aus dem Rahmen fallenden Stadtstaaten Hamburg und Berlin außen vor, offenbart sich überdies ein deutliches Ost-West-Gefälle:
In Ostdeutschland ohne Berlin wurden bisher pro 1.000 Familien 34 Baukindergeldanträge gestellt, in Westdeutschland ohne Hamburg waren es nur 30.
Ein Grund für diese Differenz ist, dass Wohneigentum in Ostdeutschland – abgesehen vom Berliner Umland und der Ostseeküste – vergleichsweise günstig ist. Ein zweiter Grund ist der Nachholbedarf: Noch immer leben im Osten der Republik weniger Menschen in den eigenen vier Wänden als im Westen. Fakt ist aber auch, dass der Anteil der selbstnutzenden Wohneigentümer in den vergangenen Jahren zwischen Thüringer Wald und Ostseeküste kräftiger zugelegt hat als in Westdeutschland – und das Baukindergeld beflügelt diesen Aufholprozess nun.
Umzug in den Speckgürtel. All diese Gründe zusammen genommen treiben die beiden Pole im Baukindergeld-Ranking besonders weit auseinander: Während der Zuschuss zum Eigenheim in Berlin kaum zu verfangen scheint, ist er in Brandenburg ein regelrechter Hit. Doch auch wenn es in der Statistik nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist – das Baukindergeld kommt auch Berlinern zugute: Die Faktoren (verfügbare) Fläche und Erschwinglichkeit führen dazu, dass immer mehr Hauptstädter im Umland sesshaft werden und somit als Neu-Brandenburger ihr Baukindergeld beantragen. Berlin hat schon in den vergangenen Jahren beständig Einwohner an die Kreise ringsum verloren, und auch zuletzt haben die Umlandkreise unterm Strich neue Einwohner gewonnen und sind teils sogar kräftiger gewachsen als die Hauptstadt selbst. Während Berlin jedoch wie alle deutschen Metropolen seine Einwohnergewinne vor allem aus der überregionalen und der Auslandszuwanderung generiert, profitiert der Speckgürtel in Brandenburg von der Stadtflucht insbesondere der Familien mit deutscher Staatsangehörigkeit, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft im vergangenen Jahr gezeigt hatte.
In einem ähnlichen Verhältnis wie Berlin zu Brandenburg steht Hamburg zu seinen schleswig-holsteinischen und niedersächsischen Nachbarkreisen. Und auch hier ist die Diskrepanz der Inanspruchnahme von Baukindergeld zwischen dem Stadtstaat und den angrenzenden Flächenländern immens.
Verteilung auf Neubau und Bestand
Zugeschrieben wird dem Baukindergeld nicht nur eine Funktion als Instrument der Wohneigentums- und Familienförderung, sondern manch einer erwartet darüber hinaus, dass es durch seine nachfragestimulierende Wirkung auch die Bautätigkeit ankurbelt. Das ist zwar zu kurz gesprungen, weil es vor allem Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft und Baulandmangel sind, die den Neubau ausbremsen. Dennoch war die Kritik quasi von der ersten Minute an groß, als sich abzeichnete, dass die meisten Baukindergeldanträge für bestehende Immobilien gestellt wurden. Nun sind seit dem Start des Baukindergelds fast zwei Jahre vergangen, Daten liegen dank der Kleinen Anfrage der FDP ganz aktuell für immerhin gut 20 Monate vor – und sie zeigen, was zu erwarten war (Grafik):
Lag der Neubauanteil an den Baukindergeldzusagen bis Ende 2018 nur bei 14 Prozent, waren es 2019 schon 27 Prozent und in den ersten fünf Monaten des Jahres 2020 nach Berechnungen von LBS Research sogar 32 Prozent.
Dieser zeitverzögerte Anstieg des Neubauanteils beruht darauf, dass das Baukindergeld erst nach dem Einzug beantragt werden kann, zugleich aber die Baugenehmigung nicht vor 2018 erteilt sein darf. Noch zu bauende Häuser benötigen aber nun einmal eine Weile, bis sie bezugsfertig sind.
Tatsächlich liegen die Baugenehmigungen in Deutschland seit einigen Jahren auf einem sehr hohen Niveau, und auch die Zahl der fertiggestellten Wohnungen ist 2019 weiter gestiegen. Dass es mancherorts immer noch zu wenig ist, um die Nachfrage zu befriedigen, etwa in Berlin, dafür lassen sich einige Gründe finden – ein Versagen des Baukindergelds gehört nicht dazu.
Last but not least: Einkommensverteilung
Das Baukindergeld käme nur jenen zugute, die sich ohnehin Wohneigentum leisten könnten, also den Gutverdienern – auch das war ein häufig gehörter Kritikpunkt vor Einführung des Baukindergelds. Und auch er löst sich immer weiter in Luft auf. Die neueste Auswertung der Antragsdaten nach Einkommenshöhe bestätigt die zuletzt von der KfW für den Zeitraum von Januar bis Oktober 2019 kommunizierte Verteilung:
Von allen bisher positiv beschiedenen Baukindergeldanträgen entfallen 62 Prozent auf Familien mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von weniger als 40.000 Euro.
Dabei hat im Lauf des vergangenen Jahres eine Verschiebung zu den geringeren Einkommen stattgefunden. Auf Basis der ersten veröffentlichten Daten zur Einkommensverteilung ergab sich bis März 2019 ein Anteil der (zu versteuernden) Einkommen unter 20.000 Euro an den Anträgen von knapp 15 Prozent, Ende Mai 2020 waren es bereits 19,5 Prozent (Grafik).
Fazit
Das Baukindergeld wirkt nicht überall gleichermaßen stark, aber es kommt bei seiner Zielgruppe an: den einkommensschwächeren Familien. Es fließt eher ins Umland, dürfte aber auch Abwanderungen aus ländlichen Regionen verhindern – und erfüllt damit womöglich sogar die ihm zugesprochene Funktion einer “Bleibeprämie”. Damit diese nicht irgendwann zum Bumerang wird, bleibt es aber eine politische Aufgabe, den ländlichen Raum durch Infrastrukturinvestitionen – vor allem in den ÖPNV und Datennetze – auf Dauer attraktiv zu halten. So wird letztlich auch der Wohnungsmarkt in den Städten entlastet.
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